Wir holen Till ab
Unser Flug ging
am Donnerstagmittag ab Frankfurt, wo wir uns mit den Großeltern
trafen, um die drei Großen zu übergeben. In der Hektik hatten
sowohl die Großeltern als auch wir die Handynummern falsch
notiert, sodass wir uns nicht wie verabredet per Handy zu einem
Treffpunkt lotsen konnten. Letztlich klappte alles prima. Der
Flug mit Emma war zwar etwas anstrengend, da wir nur zwei Plätze
hatten, aber sie hatte gute Laune und schlief auch auf unserem
Arm ein. Da Emma für ihr Alter sehr groß ist, war auch das
nicht ganz unanstrengend.
Nach 10 Stunden
endlich in Chicago angekommen ließen wir uns mit einem
Shuttlebus zu unserer Autovermietung fahren. Als die
Mitarbeiterin hörte, dass wir ein Kind adoptieren würden, haben
wir ohne Aufpreis ein viel größeres Auto bekommen und durften
auch einige Telefonate führen. Währenddessen hat sich die
Angestellte in Emma verliebt. Diese Erfahrung haben wir immer
wieder gemacht: Das Wort Adoption öffnet so manche
Tür.
Wir riefen von
der Autovermietung aus zuerst bei AdoptionLink an und erhielten
die Nummer von der Pflegemutter, die Till seit seinem Verlassen
des Krankenhauses betreut hatte. Der Anruf bei der Tagesmutter
brachte die Wegbeschreibung in einen Vorort von Chicago. Wir
kurvten noch ca. eine Stunde dorthin, leider war gerade
Berufsverkehr und wir standen todmüde im Stau, da ja bei uns
zuhause 2 Uhr nachts gewesen wäre. Aber dann waren wir endlich
da. Es war ein lesbisches Paar, Helen und Gina, die selbst zwei
Kinder über AdoptionLink adoptiert hatten. Sie waren von der
Agentur so begeistert, dass sie gern die Betreuung von anderen
Säuglingen übernahmen, deren Eltern erst später kommen
konnten. Außerdem sollten so ihre beiden Kinder die eigene
Situation besser verstehen.
Wir fanden das Haus sofort, schellten und es kam eine sympathische Frau, Helen mit einem ganz winzigen Baby auf dem Arm an die Tür. Das ist also unser Till!
Sie gab mir Till
direkt auf den Arm. Er war sehr zart und winzig und sehr süß.
Wir tauschten noch einige Informationen über Till aus und zu
unserer großen Freude reagierte Emma ganz begeistert auf das
kleine Baby. Es war Liebe auf den ersten Blick. Emma ist eine
sehr energisches und kraftvolles Kind, aber wenn sie nur in die
Nähe von Till kommt wir sie leise und zärtlich. Es war für uns
eine große Erleichterung, da wir ja auch Emma nicht unglücklich
sehen wollten
Wir zogen
begeistert mit unserem Süßen los und mussten ja noch unser
Hotel suchen. Das klappte auch und das Zimmer war ideal, da eine
kleine Kochzeile dabei war. Wenn man für zwei Kinder Fläschchen
zubereiten muss, ist dies sehr praktisch. Das Hotel ist 5 Minuten
von dem Büro von AdoptionLink entfernt in Oak Park. Es ist ein
sehr netter Stadtteil, in dem man Bummeln kann und auch nette und
günstige Restaurants findet.
Im Hotelzimmer
haben wir uns unseren neuen Sohn erst einmal in Ruhe und
fasziniert angeschaut. Er war sehr süß, nur leider hatte er
eine ganz weiße Hautfarbe. Die Babys kommen oft mit fast weißer
Haut und dunkelblauen Augen auf die Welt. Aber wir konnten
täglich zuschauen, wie Till brauner wurde.
Am Freitag
hatten wir ein volles Programm: Ein Termin bei AdoptionLink, um
die nötigen Papiere zu unterschreiben, ein Termin beim Gericht,
damit uns die Adoptionspflege erteilt wird und ein Termin beim
Passamt, damit wir einen Pass für die Ausreise beantragen
konnten.
Wir waren sehr
gespannt, wie die Frauen bei AdoptionLink aussahen, mit denen wir
jetzt so oft telefoniert hatten. Es war eine große Freude auf
beiden Seiten. Es war eine herzliche und sehr nette Atmosphäre
und wir haben es bedauert, so schnell wieder gehen zu müssen, da
wir pünktlich zum Gericht kommen mussten, das sich im Zentrum
von Chicago befand.
Wir fuhren mit
der U-Bahn nach Chicago rein und suchten das Gericht. Die Leute
waren sehr nett, wenn wir etwas fragten, und bei den Polizisten,
die die Gebäude bewachen, wirkte wieder das Zauberwort
Adoption wunder.
Unsere Anwältin
wartete schon und wir besprachen den Ablauf der
Gerichtsverhandlung und unterschrieben einige Papiere. Die
Anwältin ging in den Gerichtssaal und kam mit finsterer Miene
raus, weil heute ein Richter Dienst hatte, der das Formular, das
wir beim Passamt brauchten nicht unterschreiben würde. Damit
platzte unser Termin beim Passamt an diesem Tag auch. Unsere
Laune war etwas gedrückt, da Freitag war und wir am Dienstag
zurückfliegen wollten. Jetzt würde es knapp und wenn der
Richter am Montag wieder Dienst hätte, hätten wir noch ein viel
größeres Problem. Na ja, irgendwann würden wir schon einen
Pass bekommen, mit dem wir dann ausreisen könnten. Wir hatten
das Wochenende vor uns und wollten das Beste daraus machen.
Wir hatten
eigentlich vor, wie vor anderthalb Jahren mit Emma in New York,
mit dem Baby in Chicago Sightseeing zu machen, aber da es 30 Grad
heiß war und Till noch so winzig war, fiel das leider aus. Wir
fuhren mit Emma und Till in den Zoo und spazierten durch Oak
Park. Wir genossen es sehr, dass uns unzählige Passanten auf
unser furchtbar kleines Baby ansprachen.
Am Montag waren
wir etwas angespannt, ob wir den Rückflugtermin noch einhalten
könnten. Wir fuhren ganz früh zum Gericht und diesmal hatte ein
anderer Richter Dienst und wir bekamen die nötigen Papiere.
Jetzt ging es zu
Passamt. Unsere Anwältin hatte dort einen Termin für uns
gemacht, doch nach ewiger Warterei stellte sich herraus, dass die
Mitarbeiter vom Passamt das Papier vom Gericht nicht
akzeptierten. Sie schickten uns wieder zum Gericht zurück. Wir
liefen im Dauerlauf zum Gericht zurück und fanden dort ganz
nette Leute, die uns halfen und uns zeigten, dass es doch das
richtige Papier war (Tills Name war nur einmal mitten im Text
erwähnt und das hatten die Leute im Passamt auf die Schnelle
nicht gefunden).
Also zurück zum
Passamt und nun akzeptierten die das Formular und wir sollten den
Pass bekommen, aber erst morgen, am Dienstag. Das würde knapp,
weil unser Flieger ja schon abends ging. Wir beschlossen, dass am
nächsten Morgen nur Peter mit Emma im Buggy schnell zum Passamt
fahren würde, da es für Till eine Strapaze in der Hitze
bedeutet hätte. Ich saß im Hotelzimmer und wartete und wartete.
Zwei Stunden bevor wir einchecken mussten, kam Peter endlich mit
dem Pass. Wir konnten wieder nach Hause. Es war geschafft.
Der Rückflug
war anstrengend, da jeder ein Kind auf dem Schoß hatte. Emma
schlief fast die ganze Zeit, für sie war ja Nacht und Till war
auch ganz friedlich, sein Stimmchen war sowieso noch ganz zart.
Glücklich in
Frankfurt angekommen, begrüßten die drei Großen und die
Großeltern neugierig das neue Familienmitglied. Wir waren froh,
endlich wieder zu Hause zu sein, aber total erschöpft. Uns
fehlte praktisch eine ganze Nacht.
Till gehörte
direkt dazu. Emma war zum Glück gar nicht eifersüchtig. Sie
spielt jetzt sehr viel mit ihren Geschwistern und hat sich von
Muttern etwas gelöst (was auch überfällig war.) Xenia und
Pauline kümmern sich rührend um ihren kleinen Bruder und um
Emma. Jakob ist froh, endlich noch einen Bruder zu haben neben
den ganzen Schwestern. Till ist eine große Bereicherung für
unsere Familie und er hat und sofort alle verzaubert mit seinem
ruhigen und freundlichen Wesen.