Nach einem Jahr

Jetzt bin ich also schon über ein Jahr hier in dieser Familie. Ich kann schon seit vier Monaten Laufen und spreche auch schon ein paar Worte: "Gaga" (Danke), "Zeze" (Xenia), "Gagog (Jakob) und "Mama" (Ich will was!!).

Es ist viel passiert in den letzten Monaten. Ich war z.B. mit meiner neuen Familie beim Zelten, das fand ich ziemlich witzig. Ich mag sowieso alle Ausflüge sehr gern. Weniger gern mag ich es, ohne Geschwister nur allein mit Mama oder mit Papa zu sein. Am allerliebsten ist mir, wenn alle da sind und überall etwas los ist. Ich gehe mittlerweile auch sehr gern zu meiner Tagesmutter, da sind auch noch zwei kleine Jungen, mit denen ich spielen kann.

Ich bin sehr neugierig und da ich ja schon Laufen kann und auch schon lange Krabbeln konnte, komme ich auch überall hin. Außerdem bin ich sehr groß und kann auch schon Sachen, die auf dem Tisch liegen, erreichen. Besonders in der Mitte vom Tisch liegen immer spannende Sachen herum, an die ich aber leider noch nicht drankomme. Wenn ich nicht all das bekomme, was ich will, kann ich auch ziemlich laut schreien und wütend sein. Das wirkt fast immer.

Dann kommt jemand und nimmt mich auf den Arm und ich bekomme fast immer, was ich will. Meine Geschwister nehmen mir allerdings auch oft etwas weg z. B Scheren oder Gläser und ich werde dann ziemlich wütend. Wenn Mama oder Papa keine Zeit haben, kommt entweder meine Schwester Pauline oder Xenia manchmal auch mein dreijähriger Bruder Jakob. Bei ihm muss ich immer etwas vorsichtig sein, der kann sehr stürmisch sein. Es ist eigentlich immer jemand da, der etwas mit mir macht.

Es gibt Tage, da nervt es mich sogar, wenn sie alle an mir rumfummeln, aber dann schreie ich eifach laut und schon habe ich meine Ruhe. Ich kann sowieso sehr gut zeigen, was ich will und was nicht, und meist wird mir mein Wunsch erfüllt. Es gibt so interessante Geräte aus denen Musik kommt oder Mama sitzt an einem Gerät mit Tasten, da wird so schön gerufen, wenn ich da dran drücke, aber das macht die Sachen ja noch spannender. Leider gibt es so viele Leute, die immer aufpassen, dass ich nicht überall rumdrücke. Na, dann gehe ich halt zu meinen Spielsachen, die sind ja auch super.

Was ich gar nicht leiden kann, ist wenn Mama die Treppe hoch geht. Ich laufe sofort hinter ihr her und schaue wohin sie geht. In letzter Zeit konnten mich Pauline oder Papa dann manchmal beruhigen; das klappt aber nur, wenn ich nicht müde bin. Wenn Mama dann wieder auftaucht, ist die Welt wieder in Ordnung.

Was ich noch weniger leiden kann, ist das Kämmen meiner Haare. Mama und Papa haben schon einige Mittel zur Haarpflege gekauft, aber es ziebst immer noch so. Sie sagen immer, es muss sein, aber ich schreie halt so lang, bis sie wieder aufhören, dann haben sie wenigstens ein schlechtes Gewissen. Meine Zöpfchen sehen hinterher aber wieder super aus.

Ach ja: Im Dezember war ich auch noch einmal in der USA mit Mama und Papa. Wir mussten zu einer Gerichtsverhandlung nach Newark (New Jersey), damit meine Adoption offiziell gilt. Das war sehr spannend. Zuerst sind wir mit dem ICE nach Frankfurt gefahren und haben in einem Hotel übernachtet. Am nächsten Morgen mussten wir ganz früh aufstehen, weil der Flieger schon um 8.20 Uhr fliegen wollte. Es war mit Signapur Airlines und die Frauen sahen schön aus in ihren langen Kleidern. Der Flug hat mir gefallen, nur beim Landen auf dem JFK Flughafen in New York habe ich laut geschrien, es war so ein ekeliger Druck auf meinen Ohren. Die eltern haben sich geschworen, mir bei der nächsten Landung rechtzeitig Nasentropfen zu geben.

Dann haben wir uns ein Auto gemietet und sind in ein Hotel in Newark gefahren. In Newark tutet immerzu irgendwo eine Polizei oder ein Krankenwagen und man darf nirgends so abbiegen, wie man will. Wir sind immer kreuz und quer durch die ganze Stadt gedüst. Zum Glück macht mir Autofahren Spaß! Am nächsten Morgen war dann die Gerichtsverhandlung. Alle hatten sich sehr schick gemacht. Es waren eine Menge Babys da, die auch adoptiert wurden. sie kamen aus der ganzen Welt, aus der Ukraine, aus Asien und ein paar auch aus den USA, aber ich war das einzige schwarze Baby.

Endlich waren wir dran. Wir kamen in den Raum, da war unser Anwalt, der Richter und eine Reihe anderer Justizangestellter. Plötzlich kam eine Frau auf mich zu und schenkte mir einen riesengroßen Teddy, der fast so groß war wie ich. Ich habe mich sehr gefreut und laut gejuchzt und mich von meiner besten Seite gezeigt. Dann wurde eine Menge Papier vorgelesen und meine Eltern antworteten immer mit „Yes“ und einmal mit „No“ und dann freuten sich alle sehr. Der Rechtsanwalt hat zum Abschluss noch ein Foto mit mir, meinen Eltern und dem Richter gemacht und schon war der Spuk vorbei.

Wir sind dann noch nach Manhatten gefahren und haben uns auch das Umland von Newark angeschaut. Doch plötzlich fing es ganz schrecklich an zu schneien. Es hat dazu geführt, dass meine Mama Sorgen hatte, dass wir den Flieger nicht mehr rechtzeitig erreichen und ihre Laune war ziemlich schlecht. Zum Glück haben wir es noch geschafft und sind pünktlich im Flugzeug gewesen. Leider war es so kalt, dass der Flug sich um Stunden verzögert hat. Weil ich überall schlafen kann, hat es mir nicht so viel ausgemacht, nur meine Eltern waren am Schluss ziemlich groggy. Bei der Landung haben sie rechtzeitig an die Nasentropfen gedacht. Geschrien habe ich aber trotzdem wie am Spieß.

Irgendwann waren wir wieder zuhause und ich war sehr froh, meine Geschwister wieder zu sehen, die bei meinen Großeltern geblieben waren. Mir ist es ja immer am liebsten, wenn wir alle zusammen sind.

Xenia verliert ihre Zähne und wir haben uns aus Solidarität alle
einen Schneidezahn mit Karnevals-Farbe schwarz angemalt.