Wir holen Emma ab

Ein Hotel ist gebucht, ein Auto ist gemietet, der Flug steht fest, es kann losgehen.

Nachdem Taschen und Rucksäcke für uns alle fünf gepackt waren, ging es dann am 7.März 2003 los. Wir fuhren mit unserem neuen gebrauchten VW-Bus (den wir schon vor ein paar Monaten für unseren geplanten Familienzuwachs gekauft hatten) nach Frankfurt. Peter und ich (Inga) wollten meinen Eltern die Kinder übergeben und eine Nacht in einem Hotel in der Nähe des Flughafen übernachten, damit wir in Ruhe am nächsten Morgen nach New York starten konnten.

Wir trafen uns im Hotel mit meinen Eltern, gingen noch mit ihnen Pizza-Essen und übergaben ihnen aufgeregt unsere drei süßen Kinder. Jakob hatte noch nie irgendwo ohne uns übernachtet. Wir hofften sehr, dass alles gut klappt.

Am nächsten Morgen fuhren wir mit Kinderwagen, Autokindersitz und viel Gepäck zum Flughafen. Der Flug machte uns beiden Spaß, da wir beide schon lange nicht mehr geflogen waren.

Auch in New York fanden wir direkt nette Leute, die uns halfen unsere Mietwagen-Firma zu finden. Jetzt kam der erste Schock. Nur ich hatte eine Kreditkarte, weil wir die 10 Euro für die Zweitkarte für Peter sparen wollten. Daher musste ich den Mietwagen fahren. In USA dürfen nur Menschen mit Kreditkarte Mietwagen fahren. Ich fahre zwar eigentlich nicht ungern und auch gut Auto, aber in New York - das hatte ich eigentlich nicht vorgehabt. Na ja, man wächst mit seinen Aufgaben. So fuhren wir los, um unser Hotel zu finden. Wir brauchten ziemlich lange und landeten dann in einer Straße, in der die Müllautos von New York parkten. Das wirkte nicht gerade gemütlich. Das Zimmer war aber ok.

Wir waren natürlich ganz aufgeregt, und da es noch Mittag war, meldeten wir uns bei der Adoptionsagentur, ob wir nicht vielleicht Emma direkt abholen dürfen.

Wir wurden vertröstet auf morgen. Also fuhren wir erst einmal zum nächsten Supermarkt. Dort gab es außer uns vielleicht noch drei weiße Personen, obwohl der Supermarkt überfüllt war. So viele schwarze Menschen hatte ich noch nie gesehen. Wir erfuhren, dass das Hotel in einer Wohngegend war, in der nur schwarze Menschen wohnen. Als unbedarfte Deutsche war es sehr spannend für uns.

Am nächsten Morgen waren wir dann richtig aufgeregt: Heute sollten wir Emma begegnen. Es wurde dann aber doch überraschenderweise wieder nichts. Wir waren ziemlich enttäuscht. Also, noch einen Tag warten. Obwohl es ja nur ein Tag ist, aber wir hatten in den letzten Wochen so oft gewartet, jetzt wurden wir ganz ungeduldig.

Jammern half nichts, daher fuhren wir nach Manhatten. Das Shuttlebussystem fanden wir prima: Erst mit dem Shuttlebus vom Hotel zum Flughafen und dann mit dem Bus vom Flughafen zur U-Bahn.

So erlebten wir einen Tag gemeinsam ganz ohne Kind, was es schon seit Jahren nicht mehr gegeben hatte und konnten zum Ground Zero (World Trade Center), Empire State Building, Broadway etc. gehen. New York ist eindrucksvoll und nicht so hektisch, wie ich gedacht hatte. So richtig genießen konnten wir es aber doch nicht. Wir waren viel zu aufgeregt.

Am Montag, dem 10.3.03, war es endlich so weit, wir sollten Emma um 13.30 Uhr in Philadelphia abholen. Peter hatte eine Wegbeschreibung, es war ca. 160 km von New York und wir fanden das Büro sofort. Da wir etwas zu früh waren, konnten wir erst noch etwas essen.

Jetzt sollte es gleich passieren, wir gingen in das Büro, aber die Mitarbeiter sagten uns, dass die Pflegemutter noch nicht da sei, aber sicher gleich käme. Ein Wagen fuhr auf den Hof und mein Herz begann zu pochen. Eine sympathische Frau ende vierzig kam rein mit einem ganz kleinen schwarzen Säugling. Sie legte mir die schlafende Emma in meine Arme und ich war so so so gerührt und glücklich, es war wunderschön.

Dann wurde Emma von allen bewundert, sie war aber auch süß. Peter nahm sie in den Arm und strahlte. Es war schön aber irgendwie unwirklich. Das also ist EMMA! Wir durften noch nicht schwelgen, wir mussten noch einen ganzen langen Tag weiter funktionieren. Und ich musste noch ganz viel Auto fahren.

Wir ließen uns von der Pflegemutter berichten, was sie in der Woche mit Emma erlebt hatte. Sie war ganz begeistert von dem zufriedenen Baby, das alle 4 Stunden trinkt und nie schreit. Das hat sich bis heute nicht verändert. Emma ist ein sehr zufriedenes, freundliches Baby. Nachdem wir uns über die Trink- und Schlafgewohnheiten ausgetauscht und noch einige Fotos gemacht hatten, fuhren wir weiter nach Verona in New Jersey.

Dort hat Children of the World seinen Sitz und dort mussten wir noch ca. vierzig Papiere unterschreiben, damit alles seine Richtigkeit mit der Adoptionspflege hat. Dies dauerte auch 2 Stunden und wir mussten noch Babynahrung für Emma kaufen. So kamen wir erst im Dunklen gegen "8 p.m." in Verona los und mussten nun unser Hotel am anderen Ende von New York wiederfinden. Ich war jetzt schon an meiner Leistungsgrenze und musste jetzt noch 50 km im Dunkeln quer durch New York fahren. Das war schwierig, da wir zu allem Überfluss im Auto den Beleuchtungsschalter nicht gefunden haben und wir an manchen Stellen raten mussten, wo wir herfahren müssen. Nach 2,5 Stunden und riesigen Umwegen kamen wir völlig fertig, aber überglücklich im Hotel an. Jetzt bestaunten wir erst einmal unsere süße Maus. Ich hatte noch nie ein so kleines schwarzes Baby gesehen. Ihre Hände und Füße waren noch ganz weiß, sonst war sie überall schon dunkel. Die Fahrt über und auch jetzt war sie ganz still und sehr zufrieden. Sie hatte endlich die Augen offen und verzauberte uns durch ihre intensiven Blicke.

Jetzt bekam sie aber doch zum ersten Mal richtig Hunger. Sie schrie ziemlich laut und ungeduldig, und das ist auch immer noch so. Sie kann sehr ungemütlich werden, wenn das Fläschchen auf sich warten lässt.

Am nächsten Tag mussten wir mit Emma nach Manhatten zum Passamt. Zuerst musste noch ein Foto mit offenen Augen für den Pass gemacht werden. Emma war auch da sehr nett und ließ sich nicht lange bitten und machte ihre Augen zum passenden Zeitpunkt auf.

Da unser Flug für den nächsten Tag (Mittwoch) gebucht war, wollten wir unbedingt heute noch den Pass bekommen. Wir hatten aber keinen Termin beim Passamt. Wir sollten an irgendwelchen automatischen schwarzen Telefonen im Eingangsbereich des Passamtes einen Termin ausmachen. Zuerst verstanden wir leider nur die Hälfte, fanden dann aber schnell einen netten New Yorker, der für uns die Ansage abhörte und uns mitteilte, dass der nächste Termin erst am Freitag zu haben sei. Wir wollten aber schon Mittwoch fliegen. Wir stiegen dreist in den Aufzug und suchten uns einen sympathischen Mitarbeiter des Passamtes aus und schilderten ihm unser Problem. Er zögerte kurz, signalisierte dann aber, dass er uns helfen wollte. "Auf die Lösung großer Probleme bin ich spezialisiert", sagte er in reinstem Oxford-Englisch. Nach drei Stunden hatten wir Emmas Pass in den Händen und damit war alles geschafft. Ein riesiger Druck fiel von uns ab. Plötzlich war New York noch einmal doppelt so schön.

Jetzt wollten wir schnell noch ganz viel sehen und fuhren zuerst noch einmal zur Fifth Avenue und zum Time Square, wo wir unseren drei Daheimgebliebenen noch Geschenke kaufen wollten. Dort gibt es riesige Disney-Einkaufsläden und wir wurden schnell fündig. Emma schlief selig in ihrem Autositz und so konnten wir noch etwas in New York bummeln - bis Peters Arm ganz blau war vom Henkel des Autositzes.

Am nächsten Tag ging es endlich nach Hause. Wir freuten uns schon so, unsere anderen drei Kinder wiederzusehen und ihnen ihre neue Schwester zu zeigen. Der Flug war sehr unkompliziert. Emma schlief viel und trank ihre Milch im Rhythmus von 4 Stunden. (Sehr praktisch: In Amerika gibt es fertig angerührte Babymilch in Dosen. Per}vers aber praktisch.)

In Frankfurt warteten dann schon Pauline, Xenia und Jakob und die Großeltern und schauten ganz neugierig ihre neue kleine Schwester an. Wir wurden jubelnd begrüßt.

Wie auf der Hinfahrt gingen wir gemeinsam Essen und es wurden spannende Geschichten erzählt. Alle hatten eine Menge erlebt.

Dann fuhren wir wieder nach Hause nach Ulm und trugen unsere Emma in unser Haus. Ab dem Zeitpunkt ist es so, als wäre es nie anders gewesen. Emma gehört zur Familie und wird von allen begeistert beschmust.

Emma 2 Wochen alt Emma 3Monate